Eine Leistung, die man anerkennen muss – Die Grünen haben bei der Bundestagswahl fast sechs Prozent mehr Stimmen erhalten, als vor vier Jahren. Noch nie waren sie so erfolgreich. Zum ersten Mal in der Geschichte boten sie ernsthaft um die Kanzlerschaft mit. Die CDU/CSU verliert hingegen rund neun Prozent. Bezieht man die vorige Wahl ein sind es in acht Jahren nahezu achtzehn Prozent Stimmen, die die Union abgeben musste. Ein desolates Ergebnis. Doch die Reaktionen, die die Spitzenkandidat*innen dieser beiden Parteien dazu zum Besten geben, sind beinahe ebenso interessant wie das Wahlergebnis selbst.
von Janne Niessen
„Aber wir können heute Abend […] nicht nur jubeln. Wir wollten mehr. […] Das haben wir nicht erreicht aufgrund eigener Fehler in der Kampagne. […] Eigene Fehler, auch von mir.“
Annalena Baerbock
Gemeinsam mit Robert Habeck tritt Annalena Baerbock nach der ersten Hochrechnung am Wahlabend in der Columbiahalle in Berlin-Tempelhof vor die Mitglieder ihrer Partei. Die Stimmung ist zwiegespalten, vielleicht auch bemüht positiv. Noch nie holten die Grünen so viele Stimmen wie zu dieser Bundestagswahl. Andererseits bleiben sie sogar noch hinter den letzten Umfragen zurück. Für eine Rot-Rot-Grüne Mehrheit, die weder Scholz noch Baerbock ausgeschlossen hatten, wird es, so stellt sich im Laufe der langen Wahlnacht heraus, denkbar knapp nicht reichen. Und auch die grüne Spitzenkandidatin scheint gespalten, sie gibt schnell zu: „Aber wir können heute Abend […] nicht nur jubeln. Wir wollten mehr […]. Das haben wir nicht erreicht aufgrund eigener Fehler in der Kampagne […]. Eigene Fehler, auch von mir.“ Sie gesteht die Fehler ein, die sie gemacht habe. Nimmt ein Teil dieses Ergebnisses auch auf ihre Kappe. Von der Menge in der Konzerthalle wird sie dennoch gefeiert. Doch die Frage, ob nicht der Mann neben ihr, Robert Habeck, die bessere Wahl für die Kanzlerkandidatur der Grünen gewesen wäre, wird im Laufe des Abends immer wieder gestellt.
„Und wir als Union haben von unseren Wählerinnen und Wählern einen klaren Auftrag erhalten. Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung.“
Armin Laschet
Zu ähnlicher Zeit lässt sich auch Armin Laschet von seinen Anhänger*innen im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin empfangen. In einer Gruppe aus sechszehn Unions-Politiker*innen, der Großteil Männer und vereinzelt ein paar Frauen, darunter Merkel, zeigt er sich selbstbewusst. Nachdem er der scheidenden Bundeskanzlerin noch fix dankt, erklärt er: „[…] uns war klar, ohne Amtsbonus wird das ein offener […] Wahlkampf […]. Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein […]. Und in jedem Fall stellt das Wahlergebnis Deutschland, die Union, alle demokratischen Parteien vor große Herausforderungen […]. Und wir als Union haben von unseren Wählerinnen und Wählern einen klaren Auftrag erhalten. Eine Stimme für die Union ist eine Stimme gegen eine linksgeführte Bundesregierung […].“ Aus dem Wahlergebnis leitet der Unions-Politiker einen klaren Regierungsauftrag ab. Die CDU/CSU liegt am Ende dieser Nacht, als um kurz vor fünf Uhr das vorläufige Endergebnis kommt, mehr als eineinhalb Prozentpunkte hinter der SPD zurück und wird damit deutlich auf den zweiten Platz verwiesen.
Am Wahlabend war Annalena Baerbock der scheidenden Bundeskanzlerin am nähesten
Es erscheint beinahe grotesk, dass die Frau, die gerade mit ihrer Partei das beste Ergebnis aller Zeiten eingefahren hat, sich zuallererst für ihre gemachten Fehler rechtfertigt. Während der Mann, der mitverantwortlich ist für das schlechteste Ergebnis aller Zeiten der Unions-Fraktion, vehement dagegen anlächelt und seine Partei in der Lage sieht, die kommende Regierung anzuführen. Noch deutlicher wird dieses Ungleichgewicht in der Elefantenrunde, wo die Spitzenkandidat*innen der künftigen Bundestagsparteien aufeinander treffen. Die Selbstinszenierung Laschets erinnert dunkel an eine ähnliche Runde sechzehn Jahre zuvor. Wer sich nicht erinnert (oder zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren war), damals attackierte ein überheblicher Gerhard Schröder eine sichtbar enttäuschte Parteichefin, die mit ihrer Union, wie auch Baerbock heute, hinter den Umfragen zurückgeblieben war. Mit seiner Erklärung, er werde in jedem Fall Bundeskanzler bleiben, ebnete er eben jener Parteichefin, die Rede ist von Angela Merkel, den Weg zu sechszehn Jahren an der Spitze dieses Landes.
Eine Frau wird unterschätzt – es wäre nicht das erste Mal
Die Vorzeichen für die Regierungsbildung stehen heute jedoch anders. Im Gegensatz zu Guido Westerwelle, ist Christian Lindner zu einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP durchaus bereit. Die Grünen haben als drittstärkste Partei viel Einfluss und werden bereits am Wahlabend von Scholz und Laschet umworben. Doch das Auftreten der Grünen-Chefin und des CDU-Vorsitzenden reiht sich ein in einen Wahlkampf, in dem die einzige weibliche Kanzlerkandidatin vermutlich mehr aufgrund ihrer Geschlechtsteile und einer massiven Diskreditierungskampagne gegen sie, als aufgrund ihrer Kompetenz an Boden verloren hat. Es fügt sich ein in die Erinnerungen an das Auftreten eines unterlegenen Kandidaten, dass die meisten bloß zum Fremdschämen bewegt. Aber vielleicht fügt es sich auch in die Momente ein, in denen eine Frau zeigt, dass sie von allen unterschätzt wird. Dies wird sich in den kommenden Wochen zeigen, denn eines ist klar – ohne die Grünen und ohne Annalena Baerbock wird es eine Regierung wohl nicht geben.
Annalena Baerbock kann ja NATO – Generalsekretärin werden. Dann hat sie, was sie so liebt und man wäre sie endlich los hier. Die größte Umweltsau NATO kann sie ja auf öko drehen.