Früher regierte der Mann die Welt, heute immer noch die Rathäuser. Der Frauenanteil in der Kommunalpolitik ist erschreckend gering. Obwohl die Bevölkerung in Deutschland nur zu etwa 50% männlich ist, liegt die Frauenquote in den Rathäusern bei schlappen 9%1. Von Sexismus geprägte Strukturen und Umgangsweisen sind häufige Gründe für diesen niedrigen Anteil.
Von Jessie Fink
Neben dem Bürgermeister:innenamt ist die Repräsentation durch Frauen auch in anderen kommunalen Ämtern, wie beispielsweise in Stadträten oder Kreistagen (hier mit nur 27%2) marginal. Ein Problem, wenn man bedenkt, dass der:die Bürgermeister:in die komplette Gemeinde leitet3. Entscheidungen der Bürgermeister:in berühren alle Menschen – Männer wie Frauen. Doch können 9% der Bürgermeisterinnen ca. 50% der Bürger:innen angemessen repräsentieren und berücksichtigen? Oder bringt die Unterrepräsentanz im Amt gleichsam eine Unterrepräsentanz der weiblichen Bevölkerungshälfte mit sich? Allein rein mathematisch scheint diese Rechnung nicht aufzugehen und bedenkt man nun noch, dass Interessen, Bedürfnisse und Wünsche ohnehin individuell sind und sich von Mensch zu Mensch unterscheiden, ist die Auslassung einer ganzen Bevölkerungsgruppe (oder zumindest 91% davon) schlicht nicht adäquat für eine Demokratie.
Die Gründe des geringen Frauenanteils sind vielseitig, angefangen bei den Rahmenbedingungen, die Frauen die Arbeit in einem solchen Amt erschweren. Fehlende Berücksichtigung der Familie und der Doppelbelastung der Frau tragen maßgeblich dazu bei4. Des Weiteren sind die gesellschaftspolitischen Strukturen noch immer männlich geprägt. Frauen müssen demnach mehr leisten, um das gleiche Maß an Anerkennung zu erreichen.
Eine Umfrage der EAF Berlin5, in deren Auftrag forsa 1100 Bürgermeister:innen befragte, ergab, dass 50% der Frauen bei der Kandidatur auf Widerstand und Hürden gestoßen sind, jedoch nur 37% der männlichen Kandidaten. Zudem werden 10% mehr Frauen als Männer beschimpft oder bedroht und 13% der Bürgermeisterinnen bzw. Kandidatinnen mussten bereits sexuelle Belästigung erfahren6. Kommentare zum Alter, Äußerlichkeiten und weitere sexistische Stereotypisierungen begegnen Frauen in ihrem politischen Alltag weitaus häufiger als Männern7. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie ihre Zeit in ihren ehrenamtlichen Tätigkeiten ungern mit Sexismus verbringen möchten und sich deswegen zunehmend aus diesen Ämtern zurückziehen.
Das Sexismus-Problem ist so alt wie unsere patriarchalische Gesellschaft. Überdurchschnittlich viele Männer belegen das Bürgermeister:innenamt und dennoch gibt es bisher wenig Anstrengungen, die geringe Frauenquote zu korrigieren und Maßnahmen zu treffen, die das Amt für Frauen zugänglicher machen. Dabei gibt es bei dieser Vielzahl an Missständen auch eine Vielzahl an Ansätzen: etwa durch flexible Zeiteinteilung, mehr Home-Office-Optionen oder eine gerechtere Aufteilung der Care-Arbeit zwischen Mann und Frau. Auch die Unterlassung sexistischer Bemerkungen oder sogar Belästigungen würden nicht nur die Problematik der Kommunalpolitik lösen, sondern das soziale Miteinander verschönern. Gleichsam könnte eine Frauenquote in der Kommunalpolitik, mit innerparteilichen Sanktionen bei Missachtung, zur Behebung der Geschlechterungerechtigkeit beitragen. Die Grünen und die Linke haben bereits eine solche Quote8 eingeführt, allerdings mangelt es bisher an der vollständigen Durchsetzung. Ein individueller Schritt wäre die Einführung von Mentorinnen, die den weiblichen Nachfolgerinnen helfen, sich durch die männlich-dominierte politische Welt zu navigieren. Denn Stagnation oder ein weiterer Rückgang des Frauenanteils wäre nicht nur ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und Demokratie, auch würden viele neue Sichtweisen und Kompetenzen verloren gehen.
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