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Parteispenden – Schatzmeisters Geldsegen oder Fluch der Bevölkerung?

18. Oktober 2021

Wir reisen vier Jahre zurück in das Jahr 2017. Neben der Bundestagswahl, den geplatzten Jamaika-Verhandlungen und der Fortführung der Großen Koalition, regnet es finanzielle Mittel für die Parteien. In diesem Jahr selbst werden rund 3,2 Millionen Euro an Zuwendungen veröffentlicht. Auf den ersten Blick ein hoher Betrag, aber analysiert man die Rechenschaftsberichte, die ein bis zwei Jahre später publik gemacht werden, zeichnet sich ein anderes Bild ab: Die Summe steigt auf das Dreißigfache an. Die richtige Rechnung lautet also: Ungefähr 90 Millionen Euro Spenden im Jahr 2017 für die im Bundestag vertretenen Parteien [1].

von Thomas Vollmuth

Anhand dieser Summe stellt sich die Frage, ob nicht alle Spenden sofort veröffentlicht werden müssen oder zumindest die aktuellen Grenzwerte einer Überarbeitung bedürfen.

Die wichtigsten Regularien rund um Parteispenden [2]

  • Gesamtspenden unter 10.000 € müssen nicht veröffentlicht werden
  • Gesamtspenden zwischen 10.000 € und 50.000 € müssen im nachträglichen Rechenschaftsbericht der Partei angegeben werden
  • Einzelbeträge über 50.000 € müssen dem Bundestagspräsidenten sofort mitgeteilt werden
  • Dies gilt für Zuwendungen pro Kalenderjahr

Einige Praxisbeispiele

  • Jens Spahn hat Gönner*innen eines Spendendinners angewiesen genau 9.999 € an seinen Kreisverband zu überweisen [3]. Damit bleiben die Absender*innen anonym. Genauso hätte er sie anweisen können, jeweils dreimal 3.333 € zu überweisen.
  • Die Deutsche Vermögensberatung hat 2017 der FDP insgesamt 114.000 € überwiesen. Die genaue Stückelung ist unbekannt, mit Sicherheit ist aber zu sagen, dass die Einzelspenden nie mehr als 50.000 € betrugen.
  • Steven Schuurman hat am 07. September 2021 eine Rekordsumme von 1.250.000 € an Bündnis 90/Die Grünen überwiesen. Dies wurde am selben Tag veröffentlicht.
  • Weitere Beispiele, die zeigen, wie man Veröffentlichungsgrenzen umgeht, findet ihr in diesem Artikel von Lobbycontrol [4]. Hier mischt unter anderem der SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp und die BMW-Familie Quandt/Klatten mit.

Anzeigepflichte Spenden im Jahr 2021

Springen wir zurück in unsere Zeit und schauen uns die derzeit laufende Gala der anzeigepflichtigen Spenden an. Diesmal führt die FDP die Rangliste mit 4,8 Mio. € an [5]. Den zweiten Platz belegt die Union mit soliden 3,5 Mio. €, dicht gefolgt von den Grünen mit 3,4 Mio. €, die sich über gleich zwei Millionenspenden freuen dürfen. 175.000 € für die SPD, keinen Cent für die AfD, die Linken lehnen zwar Unternehmensspenden und Großspenden natürlicher Personen kategorisch ab, müssen aber eine Spende in Höhe von 51.000 € melden. Schließen wir nun das Jahr 2021 bereits Ende September ab. Bisher wurden anzeigepflichtige Zuwendungen in Höhe von 11,9 Mio. € dem Bundestag gemeldet [6]. Nehmen wir den Multiplikator aus 2017 als Grundlage, errechnen wir eine diesjährige Spendenaktivität von schwindelerregenden 357 Millionen Euro.

Grundlegender Charakter & Finanzierung der Parteien

Um zu verstehen, warum hohe Geldzuwendungen kritisch zu beäugen sind, müssen wir den grundlegenden Charakter von Parteien beleuchten. Nach Artikel 21 des Grundgesetzes »wirken [Parteien] bei der politischen Willensbildung des Volkes mit« [7]. Da sie als Bindeglied zwischen Bevölkerung und Staat fungieren, müssen diese ausreichend funktionsfähig, aber auch staatsfrei sein [8]. Durch eine ausbalancierte Nutzung staatlicher und gesellschaftlicher Mittel wird gleichzeitig die Funktionsfähigkeit und Staatsfreiheit der Parteien sichergestellt. Es ist also bewusst vom Gesetzgeber gewollt, dass Parteien finanzielle Mittel von natürlichen und juristischen Personen erhalten. Die staatliche Teilfinanzierung [9] wurde aber geschaffen, um eine Abhängigkeit von privaten Geldgebern zu vermeiden – mit diesem Punkt starten wir in die Problematik der Parteispenden.

Abhängigkeit, käufliche Politik, Chancengleichheit und Transparenz

Zunächst einmal ist klarzustellen, dass Parteien sich von Spenden abhängig machen, sobald sie diese annehmen. Das ist so zu verstehen, als dass beispielweise die CDU/CSU im Wahlkampfjahr 2017 einen gewissen Betrag erhält und mit diesem auch bei der nächsten Kampagne rechnet. Zudem wissen wir als Bevölkerung nun mal nicht, ob und wenn dann welche Nebenvereinbarungen zwischen Spendenden und Empfangenden vereinbart worden sind. Ob nun eine aussagekräftige Korrelation zwischen Spendenaktivität und politischen Entscheidungen zugunsten der Gönner*innen besteht, muss jede*r selbst entscheiden. Weiterhin wird der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt – der auch für die Parteisystematik gilt [10] – wenn eine Partei sehr viel mehr Großspenden erhält als eine andere. Transparenz ist abschließend der zentrale Aspekt, wenn es um diese Thematik geht. Da in einem Bundestagswahljahr generell größere Beträge fließen als in anderen Jahren [11], wäre es für Wähler*innen fairer und zugleich leichter, wenn sie sofort nachvollziehen könnten, von welchen Menschen oder Unternehmen gewisse Parteien finanzielle Mittel erhalten, um sich ein abschließendes Bild zu erlauben. Dies ist gewiss nicht der Fall, wenn nur ein Bruchteil der Spenden sofort veröffentlicht wird.

Reformvorschläge und Meinungen von Abgeordneten

Ein erster Schritt hin zur “Lösung” der Problematik besteht also in der Absenkung der Grenzwerte. Die Organisation Abgeordnetenwatch fordert, dass Spenden über 10.000 € sofort gemeldet werden müssen [12]. Auch die europäische Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) mahnt immer wieder die bestehenden deutschen Regularien an [13]. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh fordert, die Meldegrenze komplett abzuschaffen [14]. Auch Katrin Göring-Eckardt von den Grünen sieht umfassendes Reformpotenzial bei Parteispenden [15]. Einen weitreichenderen Schritt gehen die Linken, welche als einzige Partei im Bundestag keine Spenden von Konzernen oder Lobbyist*innen annehmen. Ein Verbot von Klein- und Einzelspenden lehnt Katja Kipping aber ab, ihrer Meinung nach »verzerren […][nur] Großspenden von Unternehmen den politischen Wettbewerb« [16]. Eine andere Meinung hat der FDP-Politiker Andrew Uhlmann, welcher die aktuellen Grenzwerte für angemessen hält und keine Abhängigkeit der Spendenpraxis feststellen kann [17]. Ähnlich äußert sich Anja Weißgeber von der CSU. Sie verweist auf die bestehenden Regularien und merkt an, dass bei einem Verbot von Parteispenden die staatliche Teilfinanzierung in gleichem Maße steigen muss [18].

Auf Parteiebene ist also eher das linke Spektrum für eine Änderung der Meldewerte. Ob wir als Bürger*innen in den kommenden Jahren auf mehr Transparenz hoffen dürfen, entscheidet sich schlussendlich in den Koalitionsverhandlungen.


Quellen

[1] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/parteispenden/spenderlisten-veroeffentlicht-diese-konzerne-und-lobbyverbaende-unterstuetzen (zuletz geprüft am: 25.08.2021)

[2] Vgl. https://lobbypedia.de/wiki/Parteispenden (zuletzt geprüft am: 09.09.2021)

[3] Vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/9999-euro-fuer-dinner-mit-gesundheitsminister-jens-spahn-will-namen-der-spender-nicht-nennen/27033118.html (zuletzt geprüft am: 09.09.2021)

[4] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/lobbyismus/stueckeln-buendeln-tarnen-die-tricks-mit-den-parteispenden (zuletzt geprüft am: 10.09.2021)

[5] (3,7 Mio.€ plus 0,5 Mio. € Konsortium Frank Thelen), Vgl. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/thelen-und-gruender-spenden-halbe-million-euro-an-die-fdp-17416946.html (zuletzt geprüft am: 11.09.2021)

[6] Vgl. https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/parteienfinanzierung/fundstellen50000/2021/2021-inhalt-816896 (zuletzt geprüft am: 03.10.2021)

[7] (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 21), https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_21.html (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[8] Vgl. https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/42042/finanzierung (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[9] Vgl. https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/42042/finanzierung (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[10] Vgl. https://www.bpb.de/politik/grundfragen/parteien-in-deutschland/42042/finanzierung (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[11] Vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/parteispenden-2017-parteien-kassieren-90-millionen-euro-a-1247677.html (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[12] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/parteispenden/spenderlisten-veroeffentlicht-diese-konzerne-und-lobbyverbaende-unterstuetzen (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[13] Vgl. https://www.tagesschau.de/inland/europarat-parteispenden-kritik-101.html (zuletzt geprüft am: 25.08.2021)

[14] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/helge-lindh/fragen-antworten/sehr-geehrter-herr-lindh-wie-stehen-sie-zu-spenden-von-natuerlichen-und-juristischen-personen (zuletzt geprüft am: 30.08.2021)

[15] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/katrin-goering-eckardt/fragen-antworten/sehr-geehrter-frau-goering-eckardt-wie-stehen-sie-zu-spenden-von-natuerlichen-und-juristischen (zuletzt geprüft am: 30.08.2021)

[16] Frage an Katja Kipping, 25.08.2021. Online: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/katja-kipping/fragen-antworten/sehr-geehrte-frau-kipping-wie-stehen-sie-zu-spenden-von-privatpersonen-und-unternehmen (zuletzt geprüft am: 12.11.21)

[17] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/andrew-ullmann/fragen-antworten/sehr-geehrter-herr-ullmann-wie-stehen-sie-zu-spenden-von-natuerlichen-und-juristischen-personen (zuletzt geprüft am: 01.09.2021)

[18] Vgl. https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/anja-weisgerber/fragen-antworten/sehr-geehrte-frau-weisgerber-wie-stehen-sie-zu-spenden-von-juristischen-und-natuerlichen-personen (zuletzt geprüft am: 01.09.2021)

Bild: https://pixabay.com/de/photos/euro-geschenk-geldgeschenk-hand-3317432/

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