In den Medien wirken die CDU und ihre Schwesterpartei CSU häufig wie eine Einheit und werden häufig in einem Atemzug als „die Union“ bezeichnet. Die Christlich-Soziale Union (CSU) nimmt in dieser Verbindung eine besondere Stellung in der deutschen Parteienlandschaft ein. Auf Bundesebene bildet sie mit der CDU die Unions-Fraktion und tritt auch gemeinsam zu Wahlen an. Wer den einen Teil haben will, muss auch den anderen akzeptieren – mitgefangen, mitgehangen sozusagen. Für die CSU können allerdings nur Wähler:innen aus Bayern stimmen. Ist das fair? Wie hat die CSU diese Sonderrolle ursprünglich erhalten?
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von Judith Luise Goetsch
Kleine Partei – Große Macht
Alleine kommt die CSU bei der Bundestagswahl 2021 auf 6 % der Wähler:innenstimmen [1]. Stellt es euch so vor: ohne ihre Schwesterpartei wäre die CSU also einen Prozent über der Fünfprozenthürde gewesen. Aktuell sieht es zwar nicht danach aus, dass die Unionsparteien regieren werden, in den vergangenen 16 Jahren ist die CSU aber Teil aller vier Kabinette unter Kanzlerin Angela Merkel – und besetzt prominente Ministerien. Das Innenministerium [2] ist beispielsweise in diesen sechzehn Jahren insgesamt fast sechs Jahre in der Hand von CSU-Politikern. Wir gendern hier bewusst nicht, denn dieses Amt besetzten in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nur Männer [3]. Dasselbe gilt übrigens auch für das Außenministerium, das Finanzministerium, das Verkehrsministerium und viele weitere.
Apropos Verkehrsministerium: dieses zu führen ist historisch von großem Interesse für die CSU. 1982 wird Werner Dollinger im Kabinett Kohl I der erste CSU-Verkehrsminister der Bundesrepublik [4]. Viele seiner Parteikollegen folgen ihm nach, insgesamt stellt die CSU seitdem und bis heute 6 weitere Verkehrsminister, allein vier davon in den Kabinetten Merkel [5]. Die CSU hat dieses Ministerium in den letzten sechzehn Jahren also erfolgreich gehalten. Aber wieso ist das eigentlich so entscheidend?
Der Bund und Bayern
Um die Sonderrolle der CSU im Vergleich zu den den anderen deutschen Parteien zu verstehen, muss man auch die besondere Position Bayerns berücksichtigen. Bayern scheint oft kein einfaches Bundesland zu sein, nennt sich offiziell „Freistaat Bayern“ [6] und nimmt damit in gewisser Hinsicht einen Sonderstatus für sich in Anspruch. Dieser Sonderstatus ist nicht rein symbolisch: 1949 lehnte Bayern sogar eine Fassung des Grundgesetzes ab. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber kurz gesagt: den Bayern – und der dort regierenden CSU – gingen die für die Bundesländer vorgesehenen Rechte nicht weit genug und sie sahen die christliche Rolle unterrepräsentiert. Dem Mehrheitsvotum der anderen zukünftigen Bundesländer unterliegend wird Bayern aber trotz der Ablehnung Teil der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland. Sie betonen, keine Separatisten zu sein und zu Deutschland zu gehören [7].
Die Gründung der CSU, ihre inhaltliche und formelle Festlegung ab 1949 und ihr Zusammenschluss mit der CDU ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Eine Abkehr von den katholisch-traditionellen Wurzeln zugunsten überkonfessionell-konservativer Politik lehnen viele aus der Partei ab. Die konkurrierende Bayernpartei schafft es fasst in die Regierung unter Adenauer, bis es Franz Joseph Strauß, damals Generalsekretär der CSU, doch noch verhindert. In der Abgrenzung und in Konkurrenz zur Bayernpartei kann die CSU zu einer bundespolitisch agierenden Partei und schließlich selbst Teil der Regierung werden. Seit der ersten Adenauer-Regierung bilden die CDU und die CSU dann eine Fraktionsgemeinschaft, die bis heute weiter besteht. Sie wollen sich gemeinsam gegen konkurrierende Konservative behaupten und gemeinsam Politik gestalten, bleiben aber organisatorisch getrennte Parteien. Diese Zusammenarbeit kommt auch nicht plötzlich, schon 1946 kurz nach dem Krieg bilden beide Parteien eine Arbeitsgemeinschaft und finden so eine gemeinsame Basis [8].

Franz Joseph Strauß
Einer der Gründe für die besondere Rolle der Partei ist, dass es in keinem anderen Bundesland eine ähnliche Entwicklung gegeben hat. Ein anderer ist Strauß selbst. Bis heute ist er einer der bekanntesten und einflussreichsten CSU-Politiker. Er ist unter anderem dafür berühmt geworden, dass er sich in Bezug auf den/die politische/n Gegner*in – aber manchmal auch gegenüber Parteikolleg:innen aus der Union – regelmäßig austeilte.
„Der wird nie Kanzler werden. Der ist total unfähig; ihm fehlen alle charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles.“
Franz Joseph Strauß in einer berühmten Wutrede über Helmut Kohl [10]
Auch über seine grenzwertigen Aussagen hinaus prägt Strauß die CSU und ihre bundespolitische Position bis heute. In der Nachkriegszeit schafft er es, seine Partei und ihre Sonderrolle zu etablieren und profitiert dabei auch indirekt vom wirtschaftlichen Aufschwung. Außerdem bringt Strauß zum ersten Mal die Idee der bundesweiten Ausdehnung der CSU ins Gespräch. Diese Idee einer „vierten Partei“ würde natürlich für CSU und CDU auf Bundesebene eine Spaltung bedeuten, mit der sich Strauß selbst als Kanzlerkandidaten ins Spiel bringen will. Später wird die bundesweite Ausdehnung der CSU eher als Versuch diskutiert, beide Unionsparteien über die Fraktionszusammengehörigkeit hinaus organisatorisch zu vereinigen. Diese Idee wird allerdings immer wieder verworfen, zuletzt 2015 vor dem Hintergrund der Flüchtlingspolitik [11], [12].
Zurück zum Verkehrsministerium – Was macht die CSU heute aus?
Das Verkehrsministerium spielt eine wichtige Rolle für die Sonderrolle Bayerns und der CSU: durch das Erhalten dieses Ministeriums in den eigenen Reihen war es der CSU immer wieder möglich, Bayern zum Beispiel infrastrukturelle und wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Das Ministerium bekommt in der Öffentlichkeit relativ wenig Aufmerksamkeit und das kann die Partei zu ihrem Vorteil nutzen [13].
Namen aus der CSU wie Horst Seehofer und Andreas Scheuer wecken direkt Assoziationen, allerdings nicht unbedingt positive. Besonders Scheuers Verbleiben im Amt nach diversen Skandalen rund um verschwendetes Steuergeld wurde bis zuletzt heftig kritisiert. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das heutige Bayern und die CSU besser verstehen. Vertreter:innen der CSU in Bundeskabinetten setzen sich neben den Interessen aller Bundesbürger:innen auch für die Belange des eigenen Freistaats Bayern ein.
Quellen
[1] Der Bundeswahlleiter: Bundestagswahl 2021
[2] Die offizielle Bezeichnung wurde 2018 unter CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer von „Bundesministerium des Innern“ zu „Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat“ erweitert. Quelle: Offizielle Seite des Ministeriums
[3] Wikipedia: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
[4] Konrad Adenauer Stiftung | Geschichte der CDU: Werner Dollinger
[5] Wikipedia: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
[7] Deutschlandfunk | Warum Bayern das Grundgesetz ablehnte
[8] Bundeszentrale für politische Bildung | Etappen der Parteigeschichte der CSU
[10] Spiegel Politik | Teilabschrift der Wienerwaldrede „Kohl ist total unfähig zum Kanzler“
[11] LeMO Online | Franz Joseph Strauß
[12] Wikipedia | Bundesweite Ausdehnung der CSU
[13] Welt | Bei Brücken und Straßen gibt es auffällig viel Geld für Bayern
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