Von Finn Gleichmann
Das 49€-Ticket soll kommen um den Umstieg auf die Öffis voranzutreiben und sozial zu entlasten, aber schafft es das? Und warum ist eine Verkehrswende, besonders in den Städten, wichtig?
49€ sollen kommen!
Nun soll das 49€-Ticket also kommen. Damit will die Bundesregierung die Verkehrswende vorantreiben und entlasten. Obwohl das Auto schon jetzt teurer ist als die öffentlichen Verkehrsmittel, soll eine Kostensenkung dazu führen, dass sich mehr Leute ein solches Monatsticket anschaffen und so die Hemmschwelle zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber dem Auto verringert wird.
Das 9 €-Ticket ist, und bleibt, also ein schönes Sommermärchen, dessen Abklatsch mit 49€ ab Januar kommt. Doch bringen 49€ wirklich die erhoffte Verkehrswende? Eine Komponente der oft wiederholten Forderung “Schneller, öfter, günstiger” wäre damit zumindest schon mal erfüllt, oder? So zukunftsweisend das 49€-Ticket auch klingt, ist, und präsentiert wird: ganz zu überzeugen scheint es niemanden. Kritiker*innen weisen darauf hin, dass der zusätzlich durch das 9€ Ticket generierte Verkehr größtenteils auf zusätzliche Freizeitausflüge Ausflüge zurückzuführen ist, nicht aber auf das Umsteigen vom Auto auf die Öffis. Die Hoffnung ist jedoch, dass die Längerfristigkeit des 49€-Tickets Leute dazu bewegen könnte, ihr Auto aufzugeben, was für nur einen Sommer unrealistisch gewesen wäre. Außerdem fürchten einige, dass durch eine Subventionierung des Tickets Gelder für den Ausbau der Öffis, sogenannte Regionalisierungsmittel, kleiner ausfallen, als sie es sein könnten. Insgesamt zeigen Studien jedoch, dass 49€ zu mehr Umstieg auf die Öffis führen kann, und das Ticket wird generell als Erfolg gefeiert.
Wie sehr entlasten 49€?
Neben dem Beitrag zur Verkehrswende, sind Politiker*innen sich auch nicht beim zweiten Nutzen des Tickets sicher: soziale Entlastung. Benzinpreise steigen und Mobilität wird teurer. Leute mit geringem Einkommen betreffen diese Veränderungen stark. Der Saat möchte ihnen helfen, indem sie ein billiges Ticket als Alternative anbietet. Doch funktioniert das? Mehr oder weniger! Für viele Pendler*innen sind 49€ pro Monat eine deutliche Entlastung gegenüber den existierenden Jahreskarten, die oft allein für eine Stadt bis zu 60€ pro Monat (im Jahresabo) kosten, und noch deutlich mehr, wenn man vom Einzugsgebiet einer Stadt in sie hinein pendelt, wie das oft der Fall ist; denn das 49€ Ticket soll Bundesweit gültig sein. Für HarzIVbezieher*innen sind aber selbst 49€ zu viel: im Harz-IV-Regelsatz sind für Verkehr lediglich 40,27€ vorgesehen. Alleine die Nutzung der Öffis – ungeachtet anderer Mobilitätsformen – überzüge also schon den Harz-IV-Satz. Viele, wie die Allianz Pro Schiene, fordern deshalb ein Sozialticket für, beispielsweise, 29€, auch wenn das zu einer Erhöhung des Regelpreises auf, zum Beispiel, 69€ führe.
Das 49€ Ticket ist also in zweierlei Hinsicht ein Fortschritt: Es treibt die Verkehrswende ein bisschen voran und ist gleichzeitig ein bisschen sozial gerecht – zumindest entlastend.
Warum eigentlich Verkehrswende?
Mit dem 9€-Sommermärchen ist das Thema Verkehrswende wieder in den Vordergrund der Politik gerückt. Das war auch dringend nötig, denn 19% der Treibhausgasemissionen Deutschlands kommen aus diesem Sektor. Zwar sind die Emissionen zwischen 1990 und 2021 etwas gesunken (9%), doch das ist größtenteils Corona zu verdanken – nicht der Verkehrspolitik. Außerdem ist der Verkehrssektor bei weitem der Sektor mit am wenigsten Reduktion seit 1990, und das FDP geführte Verkehrsministerium macht auch keine Hoffnung, diesen Trend umzukehren. Doch, auch wenn es manchmal so scheint, sind Treibhausgasemissionen nicht der einzige Grund für die Verkehrswende. Ein großes Argument für die Verkehrswende sind außerdem lebenswerte Städte.
Es ist sogar so, dass das Abrollgeräusch von Elektroautos, ab einer Geschwindigkeit von ~40 km/h genau so laut sein kann wie der Lärm “normaler” Autos
Lärm!
Eine lebenswerte Stadt ist grün und die Luft ist sauber. Sie bietet angenehme Aufenthalts- und Begegnungsmöglichkeiten und regt zum Kennenlernen anderer Leute und zur Gemeinschaftsbildung an. Es ist eine Stadt mit gesunden und glücklichen Menschen. Viel davon hängt von der Stadt- und Verkehrsplanung ab. Eine mit einer autozentrierten Verkehrsplanung kann man die lebenswerte Stadt nur sehr schwer erreichen.
Im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln, wie dem Fahrrad, sind Autos sehr laut und verbrauchen viel Platz. Der Lärm hat nicht nur einen negativen Effekt auf die psychische und physische Gesundheit der Städter, sondern hält außerdem Passanten davon ab, an der Straße zu verweilen oder miteinander zu sprechen. Selbst das, oft unterschätzte, Rollgeräusch von Elektroautos – was immer noch lauter als die Geräusche von Fahrrädern, Fußgängern oder Elektrorollern ist – kann einen Ort unattraktiv machen. Es ist sogar so, dass das Abrollgeräusch von Elektroautos, wegen ihres größeren Gewichtes, ab einer Geschwindigkeit von ~40 km/h genau so laut sein kann wie der Lärm “normaler” Autos, abhängig vom Modell.
Wenn wir alle unseren eigenen 2t Stahl so viel Platz alleine zum Nicht-Benutzen zur Verfügung stellen, bleibt nur noch sehr wenig für anderes
Spacige Autos…
Ein weiteres Problem ist der Platzverbrauch von Autos. Ein gewöhnlicher 5er BMW ist 2,1m breit und 4,9m lang, was es bei weitem noch nicht zu eines der größten Alltagsautos macht. Trotzdem ist dieser Platzverbrauch immens. So immens, sogar, dass wir Häuser für unsere Autos bauen, um diese zu stapeln, während Obdachlose ohne Haus auf der Straße sitzen. Doch auch wenn das durchschnittliche Auto täglich gute 23h rumsteht, ohne gefahren zu werden, verbrauchen fahrende Autos noch deutlich mehr Platz als Parkende – sowohl in der Breite als auch in der Länge. Wenn wir alle unseren eigenen 2t Stahl so viel Platz (10 m²) alleine zum Nicht-Benutzen zur Verfügung stellen, bleibt nur noch sehr wenig für anderes, wie Begegnung, Begrünung, Aufenthaltsorte, und andere Verkehrsformen.
Der Platzverbrauch von Autos wird oft unterschätzt. Hier ein Vergleich zwischen Autos, Bus und dem Fahrrad. Anzumerken ist, dass das Bild alt ist (1991), und sich die Größe der Autos seit dieser Zeit mehr als verdoppelt hat. [Rad-spannerei, focus.de]
Aus stadtplanerischer Sicht ist das Auto also fehl am Platz in der Stadt, unter anderem weil es von diesem Platz deutlich überproportional viel benutzen. Autos sind außerdem laut und gesundheitsgefährdend. Elektroautos sind hierbei keine Alternative.
Der CO2-Ausstoß des Verkehrssektors ist bisher außerdem der am langsamsten schrumpfenden, doch das soll sich durch das 49€ ändern. Auch wenn dieses Ticket ein großer Fortschritt ist, so gibt es doch einiges an ihm zu bemängeln, wie zum Beispiel den erwarteten Effekt des Umstiegs auf die Öffis und soziale Gerechtigkeit. An solchen zugewachseneren Teilen des Weges zu einer besseren Verkehrs- und Stadtplanung sollte man sich aber nicht beirren lassen, denn wir gehen in die richtige Richtung und fahren es hoffentlich nicht an die Wand.
Quellen: lpb-bw.de, Allianz Pro Schiene, NotJustBikes, BMW
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