Es ist ein Relikt aus der griechischen Antike. Damals herrschte zwischen den griechischen Stämmen ein ständiger Kampf. Doch zu den Olympischen Spielen herrschte Frieden, damit die Athleten und Zuschauer sicher zu den Wettkämpfen an- und abreisen konnten. Dieser Olympische Gedanke des Friedens und der Völkerverständigung setzt sich auch in der Moderne fort. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen wird mit einer symbolischen UN-Resolution der Olympische Frieden beschlossen. Ein Zeichen des Miteinanders. Auch Russland gehörte im letzten Jahr zu den Unterzeichnern dieser Resolution. Der russische Vertreter, Stepan Kuzmenkov, erklärte, dass der Sport ein Botschafter des Friedens sein könne. Er hielt die teilnehmenden Länder dazu an, den Frieden vor, während und nach der Spiele zu wahren.
Das wirkt geradezu verhöhnend, marschierte Russland doch bereits 2008 während der Olympischen Sommerspiele in Peking in Georgien ein. Währenddessen saß Putin noch auf der Tribüne der Eröffnungsfeier in China. Sechs Jahre später fanden die Olympischen Winterspiele in Sotchi statt. Und während die Welt auf die Spiele schaute, bereitete sich der russische Staatschef ein paar Meter weiter darauf vor, die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig zu annektieren. Russland übrigens wehrt sich dagegen, dass diese beiden Angriffe ein Bruch des Olympischen Friedens seien. Sie bezeichneten es als innerstaatliche Angelegenheiten und bei den Olympischen Spielen gehe es doch nur um Handlungen zwischen verschiedenen Staaten. Georgien und die Ukraine haben dazu wohl eine abweichende Haltung.
Doch das Muster setzt sich nun fort. Während die Olympischen Winterspiele in Peking so heftig kritisiert wurden wie nie zuvor, bereitete sich Russland auf einen erneuten Krieg vor. Gerüchte legen nahe, dass Putin das Ende der Olympischen Spiele abwartete, um den chinesischen Präsidenten, Xi Jinping, nicht in Verlegenheit zu bringen. Doch nur wenige Tage nachdem die Länder dieser Welt in einem fröhlichen Kreis gemeinsam die Flagge schwenkten, marschieren russische Truppen in die Ukraine ein. Nicht nur in den Donbass, eine lange umkämpfte Region im Osten der Ukraine, sondern im ganzen Land. Es ist der größte kriegerische Konflikt in Europa seit Ende des zweiten Weltkriegs.
Der Olympische Frieden erscheint in diesen Tagen vor allem als Eines – Wertlos. Es ist ein Symbol ohne Konsequenzen, fast schon Blasphemie. Dabei beginnen in wenigen Tagen die Paralympischen Winterspiele in Peking. Und während das IPC noch hadert, fordern Athlet*innen weltweit bereits den Ausschluss russischer und belarussischer Sportler*innen. Nein, es wäre nicht fair gegenüber diesen Sportlerinnen und Sportlern, die nichts für den Größenwahn ihres Regierungschefs können. Doch es ist auch nicht fair, dass Menschen in der Ukraine um ihr Leben bangen müssen. Es wäre ein Zeichen, denn der Zenit der politischen Neutralität des Sports ist längst überschritten. Und am Ende des Tages kann es hier nur Verlierer geben.
Nun, vielleicht stimmt das nicht so ganz. Denn die chinesische Regierung ist wohl froh, dass die Kritik an den Olympischen und Paralympischen Spielen in einem Land, dass Menschenrechte mit Füßen tritt, nicht mehr die weltweiten Nachrichten beherrscht. Und so ist Xi Jinping wahrscheinlich der einzige Gewinner in einer Welt voller Verlierer.
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